09.08.2021

«Gar manchmal reizt mich, mitzuspielen»

Der 29-jährige Petar Vlajnic hat in seiner Schiedsrichter-Karriereleiter jüngst eine weitere Hürde genommen: Er gehört seit dieser Saison zu jenen Unparteiischen, die in der ersten Liga zum Einsatz kommen. In der Karriereleiter ist ein weiteres Sprösschen genommen.

(Text und Bilder von Bruno Füchslin, Medienberichterstatter FVRZ)

Seit dem August 2004 frönt der für den FC Freienbach gemeldete Petar Vlajnic einem Hobby mit Aussergewöhnlichkeitspotenzial. Als Fussballschiedsrichter ist man stets von Besserwissern, aber nicht zwingend Besserkönnern umgeben. Vlajnic könnte ein Liedchen davon singen, dass der Spruch «allen Leuten Recht getan …» wirklich eine Kunst ist, die niemand kann.
«Der Fussball» ist gespickt mit einer unablässigen Folge von Fehlern. So oft und wie intensiv auch immer trainiert wird – niemand wird diese Quote je markant positiv verändern können. Komisch nur: der Fehlschuss aus drei Metern Distanz geht nach einem Kurz-Aufreger ins Kapitel «kann passieren – ist halt Fussball». Der Verursacher ist von vornherein entschuldigt. Wenn einer seinem Kollegen bei einem Einwurf den Ball Richtung Halszäpfli schleudert statt sauber in die Füsse zu werfen, damit er auch was anfangen kann – gehört zum Fussball.

Hohe Qualitätsansprüche
In diesem Fehlersport jedoch muss eine(r) hoch platzierten Qualitätsansprüchen genügen. Wehe, wenn … ein Abseits nicht gesehen wird (wars überhaupt eines?), der Ball nicht in vollem Umfang hinter der Linie war (oder war ers eben doch?) oder sechs statt der Kund getanen vier Minuten nachgespielt wird und genau in diesem 120 Sekunden noch ein entscheidendes Tor fällt. Uiuiui – da muss der Mann (oder die Frau) was hören. Denn: Je nach Ergebnis oder allgemein leicht bis tief rosarot gefärbter Brille gilt im Fussball allgemein, dass das Hirn dem Auge sagt, was es sehen soll. 

Inmitten dieser Diskrepanz wünschen sich Fussballbegeisterte einen fehlerlosen und demnach unbefleckten Fels in der Brandung. Einen (oder eine), der/die alles sieht, alles weiss, statt einer Verwarnung väterlich spricht und bei allen, die mit Fussspitzengefühl nicht immer zwingend brillieren, mit Fingerspitzengefühl und Augenmass entscheidet. Am besten jung und dynamisch mit der Routine eines 50-Jährigen. Ein wandelndes Regelbuch in Theorie und Umsetzung. Voll auf die Aufgabe fokussiert und dennoch mit einem Fischaugen-Weitblick ausgestattet. Einfach so dermassen hoch qualifiziert, dass er/sie gar nicht auffällt und demnach seine/ihre unantastbare Persönlichkeit walten lässt.
Was ist der Reiz, inmitten im Teamsport ein zuweilen überkritisch beurteilter Einzelakteur zu sein? «Nur einen Reiz gibt es nicht; da ist eine Fülle von Herausforderungen, die möglichst gut zu bewältigen bei jedem Spiel neu gestellt sind», sagt Petar Vlajnic. Im weiteren Verlauf des Gesprächs zeigt sich, dass diese Aussage nicht einfach eine gut tönende Floskel darstellt, die zugleich alles wie punktuell nichts aussagt.

Schon der Vater war Schiedsrichter
Per – symbolisch – fast wie die Jungfrau zum Kind kam der FC Freienbach zu den Diensten des Neuankömmlings. Vlajnic wollte nach seiner wegen einer hartnäckigen Verletzung bedingten Aufgabe des Mannschaftssports dem geliebten Fussball treu bleiben. Was lag näher, als seine ersten Kontakte zum Schiedsrichterwesen umzusetzen? «Mit Vater Ljubo war ich als Kind viel unterwegs zu den Spielen im Ostschweizer Fussballverband; es waren meist fast richtige Familienausflüge. Die Atmosphäre an diesen Regionalpartien faszinierten mich von Kleinauf», erinnert sich der IT-Fachmann.
Eine Suche im Fussball-Pool des FVRZ weckte das Interesse. Auch andere Vereine suchten Schiedsrichter; Vlajnics Wahl fiel auf den Höfner Club. «Ich wurde vom zuständigen Enrico Jacoviello vorbildlich eingeführt; allgemein fühle ich mich im FC Freienbach sehr wohl».
Nach Absolvierung des Grundkurses stand schon bald das erste Spiel an. «Lachen/Altendorf gegen Thalwil wars, Junioren C. Da musste ich meine erste gelbe Karte zeigen – sie ist mir in Erinnerung geblieben», sagt er, der in den folgenden Jahren im Turnus mehr und mehr Ansprüche zu bewältigen hatte. Die vorläufig letzte Station ist die aktuelle Berufung in die erste Liga; wenn sich Vlajnic während eines Jahres in dieser Klasse bewährt, wird die Qualifikation definitiv.

«Fussballfeld als Mikrokosmos der Gesellschaft»
Sofern – gehts dann unaufhaltsam weiter nach oben? Was sind die Ziele? Die Fussball-Floskel «das nächste Spiel ist das Wichtigste» ist auch hier keine. «Jede Partie beinhaltet Verbesserungs- und Weiterbildungspotenzial. Alle Theorien einer möglichst guten Schiedsrichterleistung werden nur auf dem Feld zur Praxis. Und obwohl schon Hunderte von Spielen geleitet, hält jede Partie wieder offensichtlich oder versteckt Kleines parat, worüber ich mir – sehr wohl selbstkritisch – Gedanken mache. Emotionale Vorkommnisse während des Spiels kann ich relativ schnell abhaken – mir gehts um jene Dinge, die von meiner Seite her eventuelle Verhaltens-Korrekturen provozieren», meint der 29-Jährige.

Und etwas sehr Intimes gibt Petar Vlajnic zum Ende hin noch Preis: «Dann, wenn ich ein wirklich interessantes, engagiertes Spiel zu leiten habe – ja, dann juckt es mich ab und zu, selbst mitzuspielen. Dieses Fussballfeld als Mikrokosmos der Gesellschaft hat einfach etwas Magisches an und in sich …».

Petar Vlajnic
geboren am 16. Februar 1992 in Männedorf ZH
aufgewachsen in Rapperswil und Uerikon ZH
wohnhaft in Zürich
Beruf: IT Consultant bei Cognizant in Zürich
Zivilstand: ledig
Hobbys: Literatur, Theater, Rennrad
SR seit August 2014
Stärken: Ruhe, Ausgeglichenheit
Schwächen: Schwäche für Fussball ;-)

Petar Vlajnic: «Schiedsrichter sein ist eine permanente Herausforderung».